Wie gerne…

„Wie gerne würde ich diesen Moment mit Dir teilen.
Dich neben mir spüren, mit der Sommersonne auf dem Rücken und dem kühlen Herbstwind im Gesicht, das im Schatten liegt.
Das kraftvolle Rauschen des Wasserfalls,
gespeist vom Regen und Schnee der letzten Tage.

Lauferei

In das saftige Grün der Wiesen schleicht sich braun, rot und gelb, tauchen alles in herbstliches Farbengemisch, das in seiner vollen Kraft leuchten wird, kurz bevor der Schnee die Schönheit auslöschen wird.
Ein letztes Pfeifen der Murmeli, bevor auch sie die Jahrestür schliessen und in einen neuen Frühling hineinschlafen werden.
Die spitzen Konturen der Lärchen, die sich wie Zipfelmützen nebeneinander reihen, sind sanfter geworden.

Lauferei – Herbst in S-charl / Engadin

Die Weichheit des Abschieds vom Jahreszyklus liegt auf ihnen und senkt sich in den nächsten Wochen herab zur Erde, auf der eines Tages, die goldgelben Nadeln liegen werden, bevor der Schnee sie zudecken wird.
Vollkommenheit und Rhythmus – ohne die Einmischung des Menschen.
System und Sinn – die niemals hinterfragt werden müssen.

Lauferei – Val Müstair Ofenpasshöhenweg

Während ich weiterlaufe, folgt mir Segantini`s Bild «Mittagssonne auf der Alp».
Die Hirtin in Blau mit dem Hirtenstab und der Hand an der Hutkrempe.
Mit dem sehnsuchtsvollen Blick….ins Tal hinaus, auf ihre Herde, auf den Lauf der Zeit…?
Wer weiss das schon?!
Wie oft stehen wir in der Landschaft,
in unserem Leben,
blicken sehnsuchtsvoll in die Ferne,
auf das nächste Ziel,
auf den Punkt den unsere Augen finden und manches Mal durch ihn hindurch,
ohne zu wissen, was uns erwarten wird.

Lauferei – Tamangur

Wie oft stehen wir in einem perfekten Moment,
der Mittagssonne auf unserem Haupt,
würden ihn gerne festhalten, speichern –
wie die Wärme auf der Haut,
den Duft des Sommerflors in einen Flakon packen und die friedlichen Geräusche im Ohr konservieren.
Sich auf einen Stab stützen und mit ihm den nächsten Schritt machen.
Den Sommer im Herzen,
die Stille des Winters im Rücken,
den schützenden Himmel über uns
und die nährende Mutter Erde,
auf der wir den einen perfekten Moment erleben dürfen – loslassen,
um den nächsten in Empfang nehmen zu können.

Lauferei – Val Müstair

Und während ich in der grellen Sonne liege,
das Gebimmel und Geblöcke der Schafe um mich herum,
fühle ich mich wie Segantini,
die ein Bild der Landschaft malt und es in bunten Farben mit einem dünnen Pinsel auf ihre Leinwand der Erinnerungen verewigt.
Und wandere mit meiner Staffelei weiter…“

 

Dieser Text ist im September 2017 während eines Schreib-Workshops im Fextal entstanden. Eine sehr wertvolle, bereichernde Erfahrung. Herzlichen Dank an all die talentierten, wunderbaren Mädls, die ich kennenlernen durfte.

Über Erika

Mein Nachname ist Programm in meinem Leben. Immer in Bewegung, selten still, oft schweigend, mit offenen Augen das Leben und die Welt beobachten. Mit den Gedanken einen Schritt voraus und den Gefühlen einen Schritt hinterher. Immer öfter bewusst im Moment, häufig auf Reisen irgendwo zwischen Himmel und Erde, mit festen Boden unter den Füssen. Liebe die Berge und das Meer, brauche Bäume zum auftanken und das Meer zum loslassen. Was ich dabei erlebe, entdecke und beobachte - darüber schreibe ich.
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27 Antworten zu Wie gerne…

  1. wholelottarosie schreibt:

    Ja, wie oft stehen wir in einem perfekten Moment…
    wie schön und bereichernd, wenn wir ihn wahrnehmen, in ihm verharren und ihn geniessen.
    Und nicht, wie so oft, einfach nur durch ihn hindurchgehen, beschäftigt mit irgendwelchen unnötigen Gedanken,die uns nicht weiterbringen, sondern uns im Kreis laufen lassen..

    Gefällt 3 Personen

  2. Arno von Rosen schreibt:

    Fantastische Bilder liebe Erika und so schön geschrieben! Vielen Dank für die traumhafte kleine Reise 🙂

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  3. marliesgierls schreibt:

    Ein wunderbarer Text, liebe Erika, und natürlich die herrliche Landschaft dazu. Das tat mir gerade sehr gut, denn hier ist es so grau und nass, da kann ich das so richtig aufsaugen und mit dabei sein.
    Vielen Dank dafür, lieben Gruß Marlies

    Gefällt 2 Personen

    • Erika schreibt:

      Liebe Marlies herzlichen Dank. Nach traumhaften Bergtagen ist es auch hier kalt, nass und grau. Die Bergspitzen sind mal wieder weiss. Einkuscheln und Ofen an. Hast du einen Kamin in deinem neuen Zuhause?

      Gefällt 1 Person

      • marliesgierls schreibt:

        Ja habe ich, eine recht gemütliche Kaminecke im Wohnzimmer, wo mein Ohrensessel steht, der allerdings immer von den Hundedamen benutzt wird. Wir haben ihn aber noch nicht angehabt, wird aber bald soweit sein.

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  4. ellilyrik schreibt:

    Wunderschön geschrieben und bezaubernde Fotos, liebe Erika!
    DANKE für diesen zauberhaften Bericht.
    Liebe Abendgrüße, herzlichst Elke

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  5. meinesichtderwelt schreibt:

    Wundervoll geschrieben ♥️

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  6. Karin Kronreif schreibt:

    Ach liebe Erika….das ist soooo schön und gut geschrieben – einfach wunderbar! Danke für diese Reise hier mit dir ❤ !!!

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  7. Petra Venners schreibt:

    Schöne Worte und Fotos. Herzliche Grüsse Petra

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  8. alltagschrott.ch schreibt:

    Eine wahnsinnig schöne, beeindruckende Landschaft. Danke für’s Mitnehmen!
    Herzlich. Priska

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  9. kowkla123 schreibt:

    topp, lange nichts von dir gelesen, wegen des Wetters, da müssen wir durch, lassen wir uns nicht die gute Laune verderben, Klaus

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  10. Fotohabitate schreibt:

    Wunderschöner Text passend zu einer beeindruckenden Landschaft. Herrlich!

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  11. Wollwesen schreibt:

    Dein Text hat mich sehr berührt, Erika, vielen Dank dafür!
    Liebe Grüße,
    Helga

    Gefällt 2 Personen

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