Weltenstille

Ich stehe in der Dunkelheit der Nacht auf meiner Terrasse in meinem Dorf und lausche der Welt. Es ist so still, wie ich es noch niemals zuvor wahrnehmen durfte.

Kein Geräusch, kein Vogel, kein Auto auf der Autobahn, keine Stimmen. Still, ruhig, friedlich. Alle zuhause.

Und wenn ich mir vorstelle, dass es an vielen grossen und kleinen Orten dieser Welt so ist, die Menschen zu hause bleiben, durch die Bedrohung eines Virus vereint und getrennt, der wie eine Welle von Ost nach West über die Erdkugel rollt und Regierungen zu aussergewöhnlichen Massnahmen zwingt, fühlt es sich unheimlich an.

Er zwingt Menschen in Erfahrungen, Situationen und Umstände, die sich niemand jemals hätte vorstellen können. Gänsehaut schüttelt mich.

Doch gleichzeitig taucht ein viel stärkeres, tieferes Gefühl auf: die Gewissheit, dass vielleicht das erste Mal eine allumfassende Energie sich durch die Länder, Kontinente und in jedes Haus und Herz hinein bewegt. Die Energie der Liebe und Fürsorge, zu sich selbst, den Liebsten und den Nächsten. Jeder sich selbst zurücknimmt, um im Verzicht und ja auch im Verlust, den grössten Reichtum und Schatz seines Lebens zu entdecken.

Rückzug – hin zu sich – um sich und den nächsten zu schützen. Wir können so viel erreichen und möglich machen, ohne Gewalt, ohne Demonstrationen, ohne Anfeindungen und Schuldzuweisungen, ohne Machtmissbrauch. Wir können so viel Gutes tun, wenn wir aus Liebe, Mitgefühl, Fürsorge, Rücksicht und Achtsamkeit agieren. Das sollte für jeden Einzelnen derzeit spürbar sein und ich wünsche mir sehr, dass sich dessen jeder bewusst wird.

Die Welt hat zu einem aussergewöhnlichen Mittel greifen müssen, um die Menschen in diese Erfahrung hineinzumanövrieren. Im Allein sein und getrennt sein erkennen, dass alles ein All-eins und miteinander verbunden ist und die Welle der Liebe, den Strom des Lebens in bisher ungenutzte Kräfte erheben kann.

Diese Zeit fällt in die kraftvollste Zeit eines Jahres: den Frühling. Selbst die kleinste Pflanze nutzt das Licht, die Sonne – die gerade jetzt sich vermehrt und wärmend zeigt – strebt ihrer Bestimmung entgegen und lässt sich weder durch Schnee, noch durch Stürme darin beirren.

Jeder einzelne Samen trägt alle wichtigen Informationen in sich, um sich in seiner Grösse, Schönheit und Einzigartigkeit zu entfalten. Und wir Menschen dürfen uns jetzt daran erinnern und es leben.

Das tiefe Gefühl der Verbundenheit in dieser Zeit, das Zusammenhelfen, unterstützen und Sorge tragen, unabhängig der Nation, Couleur, des Status und des Besitzes,  ist 1000mal stärker, als es die Angst je sein kann.

Geh raus in die Natur und achte auf die Zusammenhänge, die Symbiosen, den tiefen kraftvollen Geruch der Erde, das zarte hoffnungsvolle Grün der kleinen Pflanzen – selbst im Wissen, dass der grosse Baum ihnen eines Tages das Licht nehmen wird, die Tiere, die sich zaghaft und scheu dem grösser werdenden Raum nähern und dem Wasser, das sich den Weg bahnt ohne zu wissen, wohin er es führen wird….Mensch und Natur sind eins. Niemals allein. Immer All-eins.

 

Über Erika

Mein Nachname ist Programm in meinem Leben. Immer in Bewegung, selten still, oft schweigend, mit offenen Augen das Leben und die Welt beobachten. Mit den Gedanken einen Schritt voraus und den Gefühlen einen Schritt hinterher. Immer öfter bewusst im Moment, häufig auf Reisen irgendwo zwischen Himmel und Erde, mit festen Boden unter den Füssen. Liebe die Berge und das Meer, brauche Bäume zum auftanken und das Meer zum loslassen. Was ich dabei erlebe, entdecke und beobachte - darüber schreibe ich.
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27 Antworten zu Weltenstille

  1. finbarsgift schreibt:

    Traumhaft in Wort und Bild!
    Herzliche Grüße vom Lu

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  2. cablee schreibt:

    Liebe Erika,
    genauso habe ich empfunden, als ich heute Vormittag in meinem Garten stand. Ruhe, absolute Ruhe. Kein Vogelzwitschern (und das im Frühling… ?), kein Autolärm, kein Kindergeschrei, kein Hundegebell… nichts. Ich habe mich geräuspert, um zu hören, ob ich noch hören kann.
    Bleib gesund und liebe Grüße
    Gila

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  3. wholelottarosie schreibt:

    So schön!
    Sowohl der Text als auch die Fotos.
    Das Alpaka nehme ich mir heute als Vorbild – einen dicken Pullover anziehen, in die Sonne legen ( auf die Liege) und ein bisschen dösen…
    🙂

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  4. Struppi-2009 schreibt:

    Wunderbare Natur und sehr gut beschrieben.
    Viele Grüße
    Traudl

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  5. Heidrun Regina schreibt:

    Einfach WUNDERbar! DANKE
    Herzliche Grüße von Heidrun

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  6. Ulli schreibt:

    Wie gerne ich das alles gelesen und angesehen habe. Trotz aller miesen Stimmen und auch dem eogoistischen Verhalten von einigen, so nehme ich persönlich doch auch sehr viel Freudnlichkeit, Humor, Hilfsbereitschaft und Solidarität wahr. Schön ist das.
    Ich glaube allerdings, dass es in den großen Städten anders aussieht, leider.
    Herzliche und verbundene Grüße
    Ulli

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  7. Erika schreibt:

    Was für wunderbare Worte du hier gefunden hast, um diese Gedanken zu teilen. Ja, wer hätte gedacht, dass ein Virus in der Lage ist, der Natur (und somit auch uns) zum Aufatmen und hoffentlich wieder in die Mitte zu helfen.

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  8. Arno von Rosen schreibt:

    Liebe Erika, deine Worte und Bilder haben sofort mein Herz erreicht und auch ich will das Positive an dieser Situation sehen, fühlen und weitergeben. Vielleicht ist es an der Zeit gewesen, dass der Mensch merkt, wie klein er auf unserer Erde wirklich ist. Bleib gesund!

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  9. Ja, es stimmt. So ruhig war es noch nie, obwohl es hier auf dem Land sowieso schon viel ruhiger ist als in der Stadt. Es ist ruhig, aber auch beängstigend, wir fühlen uns zu Hause sicher, aber gleichzeitig wissen wir, dass da draußen irgend so ein Virus lauert, der unberechenbar ist. Hier, wo ich wohne, ist der Hotspot von ganz Deutschland gemessen an der Einwohnerzahl. Hier haben sich sehr viele während eines Kirchenkonzerts angesteckt. In unserem kleinen Nachbardorf gibt es alleine über 70 Infizierte, in einem anderen Dorf, wo dieselbe Dirigentin den Chor leitet ebenfalls über 60 Infizierte.
    Wir alle sind froh hier, dass wir auf dem Land wohnen, wo es sowieso etwas ruhiger zugeht und die Menschen nicht Schlange stehen vor Läden uns sich um Toilettenpapier schlagen. Wo soll das hinführen?
    Da tun deine Worte und Bilder gut und es stimmt, wir werden uns besinnen müssen auf ganz andere Werte …… Bleib gesund liebe Erika, Sigrid

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  10. Patrick schreibt:

    Ein sehr schöner Text. Ich hoffe, die Krise wird unsere gesellschaft nachhaltig positiv beeinflussen. Bleib gesund!

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  11. Ruhrköpfe schreibt:

    Liebe Erika, da kann ich mich nur anschließen, traumhaft schön. In der Natur kann ich den Wahnsinn des Alltags gerade am besten vergessen und Kraft tanken. Das tut so gut 🙂 Bleib gesund und sonnige Grüße, Annette

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  12. Dina schreibt:

    Ein sehr schöner und nachdenklicher Beitrag, liebe Erika. Ich genieße es viel Natur um mich zu haben und die Ruhe und Stille zurzeit ist eigenartig, großartig und heilsam. Liebe Grüße aus Norfolk. Bleib gesund!

    Gefällt 2 Personen

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